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Was ist eine Vorsorgevollmacht?

Die Vorsorgevollmacht regelt wichtige Fragen der Pflege. Alter, Gebrechlichkeit, aber auch ein Unfall oder eine Notsituation können zur Folge haben, dass ein Mensch seine Angelegenheiten plötzlich nicht mehr selbst erledigen kann. Was passiert dann? Wer kann oder darf dann die Vertretung übernehmen? Wir haben Notar Hagen Krzywon aus Stuttgart gebeten, häufig gestellte Fragen zu beantworten und Tipps rund um das Thema Vorsorgevollmacht zu geben.

Könnten Sie die rechtliche Problematik kurz schildern?

Helmut Hartmann: Unsere freiheitliche Rechtsordnung garantiert, dass jeder von uns im Rahmen des rechtlich Zulässigen seine Entscheidungen grundsätzlich selbständig treffen kann. Ausnahmen gibt es nur in wenigen Fällen, z. B. für die Eltern, die für ihre Kinder die Entscheidungen treffen, bis diese volljährig sind. Es ist übrigens auch ein weit verbreiteter Irrtum, dass Ehegatten kraft Gesetzes ermächtigt wären, füreinander Entscheidungen treffen zu können – so ist es nicht. Auch volljährige Kinder können ihre Eltern nicht ohne Weiteres vertreten.
Sobald ein Mensch volljährig wird, entscheidet er, und nur er, für sich selbst. Tritt ein Ereignis ein, aufgrund dessen er außer Stande ist, für sich zu sorgen, so müsste für den Betroffenen in einem genau geregelten Verfahren ein sogenannter Betreuer (früher: Vormund) bestellt werden. Die Entscheidung hat das Betreuungsgericht (früher: Vormundschaftsgericht) zu treffen. Nicht immer entscheidet sich das Gericht für den Ehepartner oder ein volljähriges Kind als Betreuer. Je nach Fallkonstellation kann dies eine andere Person sein, zum Beispiel ein Rechtsanwalt oder ein sogenannter Berufsbetreuer.
Die Bestellung eines Betreuers ist aber dann nicht erforderlich, wenn auf andere Weise Vorsorge getroffen ist, z. B. durch die General- und Vorsorgevollmacht. Aus unserem Selbstbestimmungsrecht lässt sich ableiten, dass durch die Bevollmächtigung einer Vertrauensperson eine Betreuung vermieden werden kann.

Für welche Bereiche und Angelegenheiten ist es sinnvoll, eine Vollmacht zu erteilen?

Hagen Krzywon: Keiner von uns kann vorausahnen, welche Probleme in seinem Leben vielleicht einmal auf ihn zukommen. Wer umfassend vorsorgen möchte, der wird sinnvollerweise auch eine umfassende Vollmacht erteilen. Vermögensrechtliche Angelegenheiten sind genauso regelungsbedürftig, wie persönliche Angelegenheiten, z. B. Gesundheitsfragen.

Ist es ratsam, Vollmachten einer Person allein zu übertragen oder auf mehrere Personen aufzuteilen?

Hagen Krzywon: Die Erteilung einer Vollmacht setzt vor allem voraus, dass eine oder mehrere vertrauenswürdige Personen vorhanden sind, die ich bevollmächtigen kann. Es liegt auf der Hand, dass nur Personen als Vorsorgebevollmächtigte eingesetzt werden sollten, zu denen ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Denn der Bevollmächtigte wird eigenverantwortlich tätig und grundsätzlich nicht durch das Gericht überwacht. Wer in der glücklichen Lage ist, mehrere Vertrauenspersonen in seinem Umfeld zu haben, der sollte diese dann auch bevollmächtigen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass meinem Bevollmächtigten selbst etwas zustößt oder er schlicht verhindert ist, mich zu vertreten!
Dabei gibt es viele Gestaltungsmöglichkeiten: Jeder Bevollmächtigte kann einzeln zur Vertretung ermächtigt werden, die Vollmacht kann aber auch so erteilt werden, dass mehrere zusammen handeln müssen. Denkbar ist auch, die Vertretungsbefugnis nach „Geschäftsbereichen“ zu unterteilen, z.B. Vertretung im vorhandenen Unternehmen einerseits und Vertretung in persönlichen Angelegenheiten andererseits..

Wann tritt die Vollmacht in Kraft?

Hagen Krzywon: Viele Betroffene gehen davon aus, dass die Vollmacht erst gilt oder gelten soll, wenn man nicht mehr in der Lage ist, selbst zu handeln. Deshalb finden sich entsprechende Formulierungen unglücklicherweise häufig in selbst erstellten Vollmachten. Inhaltliche Einschränkungen dieser Art sollten unbedingt vermieden werden.
Die Vollmacht gilt ab dem Tag, an dem sie erstellt wird. Davon zu unterscheiden ist jedoch, ab wann der Bevollmächtigte tätig werden soll oder kann. Da der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber erst dann vertreten kann, wenn er im Besitz der Vollmachtsurkunde ist und mit ihr seine Bevollmächtigung nachweisen kann, bestehen hier die gewünschten Regelungsmöglichkeiten: Wer darauf vertrauen kann, dass der Bevollmächtigte mit der Vollmacht erst tätig wird, wenn dies sachlich geboten ist, der kann die Vollmachtsurkunde gleich aushändigen. Sonst kann das Schriftstück bei einer anderen Person hinterlegt werden, die es erst beim Eintritt bestimmter Ereignisse an den Bevollmächtigten herauszugeben hat.

Wo kann die Vollmacht erteilt werden?

Hagen Krzywon: Für Vollmachten gilt im Grundsatz das Prinzip der Formfreiheit. Das bedeutet, dass Vollmachten mündlich erteilt werden könnten. Dies ist natürlich nicht sinnvoll. Die Erteilung der Vollmacht in notarieller Form ist meines Erachtens unverzichtbar. Allein schon der Beweiswert der Urkunde ist ein Grund.

Welche weiteren Gründe sprechen für die Zuziehung des Notars?

Hagen Krzywon: Der Notar sorgt für rechtssichere Formulierungen und berät über die Tragweite und den Vertrauenscharakter der Vorsorgevollmacht. Die notarielle Urkunde verschafft Gewissheit über die Identität des Erklärenden. Die Mitwirkung des Notars verschafft auch ein Indiz dafür, dass der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Erteilung geschäftsfähig war. Denn der Notar müsste seine Tätigkeit verweigern, wenn der Vollmachtgeber bereits geschäftsunfähig sein sollte. Die wirksame Errichtung der Vorsorgeurkunde kann daher bei Mitwirkung des Notars später kaum angezweifelt werden. Die Urschrift der notariell beurkundeten Vorsorgevollmacht wird beim Notar verwahrt. Er kann auch nach vielen Jahren noch Ausfertigungen erteilen, falls dies erforderlich sein sollte. Die Ausfertigung ist eine offizielle Kopie des Originals, die im Rechtsverkehr zum Nachweis der Vorsorgevollmacht dient. In Grundstücksangelegenheiten und in zahlreichen Geschäften bei Unternehmen ist die notarielle Form der Vollmacht sogar gesetzlich vorgeschrieben.

Kann die Vollmacht widerrufen werden? Wie wird hierbei vorgegangen?

Hagen Krzywon: Selbstverständlich kann eine Vollmacht jederzeit widerrufen werden. Wenn das einstige Vertrauensverhältnis nicht mehr besteht, dann ist der Vollmachtgeber natürlich gut beraten, wenn er die Vollmacht widerruft. Es genügt dabei jedoch nicht, den Widerruf nur zu erklären. Ganz wichtig ist es vielmehr, sich die Vollmachtsurkunde wieder zurückgeben zu lassen. Solange der Bevollmächtigte die Urkunde im Rechtsverkehr vorlegen kann, dürfen sich Dritte auf das Bestehen der Vollmacht verlassen, wenn sie von dem Widerruf keine Kenntnis haben. Weigert sich der Bevollmächtigte, so könnte er sogar auf Herausgabe der Vollmachtsurkunde verklagt werden.

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Bildnachweise: Foto von Andrea Piacquadio von Pexels; Foto von Vlada Karpovich von Pexels; Foto von Helmut Hartmann

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