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Altersdepression: Wenn die Seele aus dem Lot gerät

Depressive Verstimmungen sind gerade im Alter häufig. Oft hängt eine solche Schwermut mit belastenden Lebensereignissen, insbesondere Enttäuschungen oder Verlusten, zusammen. Professionelle Hilfe erhalten Betroffene und ihre Angehörigen in spezialisierten gerontopsychiatrischen Zentren, wo neben medikamentösen Therapieangeboten auch psychotherapeutische Behandlungsbausteine zum Einsatz kommen. Jochen Gebhardt, Chefarzt des Gerontopsychiatrischen Zentrums am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden, erläutert die Ursachen, Vorbeugungs- und Behandlungsmöglichkeiten der Depression im Alter.

SenioBlog: Herr Gebhardt, wann spricht man von einer Altersdepression?

Jochen Gebhardt: Depressionen, die erstmals jenseits des 60. Lebensjahres auftreten, werden als Altersdepressionen bezeichnet. Depressionen im Alter können aber auch auf einer erneuten Episode einer depressiven Störung beruhen, die sogar bereits im jungen Erwachsenenalter begonnen hat.

SenioHilfe: Unterscheidet sich eine Depression im Alter von einer Depression in jüngeren Jahren?

Jochen Gebhardt: Im Hinblick auf ihre ursächliche Entstehung unterscheidet sich eine Depression im Alter zunächst nicht von einer depressiven Störung im jüngeren Erwachsenenalter. Hinsichtlich Diagnostik, Verlauf und Therapie sind bei der Depression im Alter jedoch einige Besonderheiten zu berücksichtigen. So ist das Erscheinungsbild der Depression im Alter z. B. mehr durch körperliche Beschwerden geprägt.

SenioHilfe: Welche Ursachen und Auslöser können zu einer Depression im Alter führen?

Jochen Gebhardt: Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Depression keine typische Erkrankung des Alters ist. Abzugrenzen von der Altersdepression sind depressive Reaktionen auf den Alternsprozess oder auf Verlusterlebnisse, die wir als Anpassungsstörungen klassifizieren.
Diese können Folgen des Verlusts körperlicher Funktionen oder einer nahestehenden Person sein. Bei der Entstehung einer Depression im Alter sind, wie übrigens auch in jüngeren Jahren, viele Faktoren beteiligt. Eine Depression kann auf dem Boden genetischer Veranlagungen und persönlicher Lebenserfahrungen ausgelöst werden durch hohe psychische Belastungen, wie sie beispielsweise mit dem Tod des Ehepartners oder dem Umzug in ein Seniorenheim einhergehen.

SenioHilfe: Altersdepression bleibt oft lange unerkannt. Wie lässt sich erkennen, ob jemand nur vorübergehend an einer depressiven Stimmung oder auch Schwermut leidet oder ernsthaft an einer behandlungsbedürftigen seelischen Störung erkrankt ist?

Jochen Gebhardt: Die Unterscheidung kann wahrhaftig ein ernsthaftes Problem darstellen. Vermutlich werden bis zu 40 % der depressiven Patienten in diesem Lebensabschnitt nicht richtig diagnostiziert, da das Erkennen einer Depression im höheren Lebensalter nicht immer leicht fällt. Häufig ist schon zum Beispiel die Abgrenzung zwischen einer normalen Trauerreaktion und einer depressiven Störung schwierig. Hilfreich kann im Zweifelsfall neben dem Ausprägungsgrad das Zeitkriterium sein. Bei depressiven Störungen, die länger als 14 Tage anhalten oder die deutliche Auswirkungen auf die Gestaltung des Alltags haben, sollte der Hausarzt zurate gezogen werden.

Psychiatrischen Zentrum Nordbaden

Im Gerontopsychiatrischen Zentrum am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch werden Patienten mit psychischen Störungen ab dem 65. Lebensjahr behandelt. Das Team unter der Leitung von Chefarzt Jochen Gebhardt und Pflegedienstleiterin Sabine Said legt großen Wert darauf, die Selbständigkeit ihrer Patienten so weit als möglich zu erhalten und zu fördern.

Weitere Informationen unter:
www.pzn-wiesloch.de

SenioHilfe: Wie kann eine Depression im Alter behandelt werden und welche Prognosen gibt es für die Patienten?

Jochen Gebhardt: Zu Beginn der Behandlung steht eine ausführliche Anamneseerhebung unter Einbeziehung der Bezugspersonen und eine ausführliche körperliche Untersuchung an. Dabei geht es darum, mögliche körperliche Ursachen der Depression, zum Beispiel im Zusammenhang mit Stoffwechselstörungen oder Hirnabbauprozessen, auszuschließen. Je nach Schweregrad der Depression kommen psychotherapeutische Behandlungsbausteine, eventuell auch in Kombination mit antidepressiven Medikamenten, zum Einsatz. Ich möchte betonen, dass das höhere Lebensalter kein Ausschlusskriterium für eine Psychotherapie ist. Für die Behandlung der Altersdepression haben sich verschiedene psychotherapeutische Therapieansätze sehr gut bewährt.

SenioHilfe: Ist für die Behandlung eine stationäre Aufnahme notwendig oder kann sie auch ambulant erfolgen?

Jochen Gebhardt: Bevor eine stationäre Aufnahme in einer psychiatrischen Klinik erfolgt, sollten Alternativen wie die ambulante oder tagesklinische Behandlung geprüft werden. In besonderen Umständen, zum Beispiel bei schwerer Ausprägung oder wenn Lebensmüdigkeit im Raum steht, ist auf jeden Fall die Klinikaufnahme zu bevorzugen.

SenioHilfe: Kann man einer Depression im Alter wirksam vorbeugen? Und wenn ja, wie?

Jochen Gebhardt: Man kann sagen, dass die Behandlungsansätze, die nach einer Ersterkrankung das erneute Auftreten einer Depression verhindern sollen, auch grundsätzlich zur Vorbeugung dienen. Allgemein gilt, dass sich der Ausgleich zwischen Belastung und angenehmen Tätigkeiten, das Pflegen von Hobbys, die Einbindung in ein soziales Netzwerk, regelmäßige körperliche Bewegung und eine gewisse Achtsamkeit für das eigene Befinden günstig auswirken.

SenioHilfe: Wie können Angehörige und Freunde bei der Bewältigung der Krankheit behilflich sein?

Jochen Gebhardt: Die umfassende Information der Angehörigen über die Erkrankung hilft, den Verlauf und die Prognose der Behandlung zu verbessern. Für die Angehörigen ist es wichtig, die Depression nicht als Ausdruck einer Willensschwäche zu sehen. Angehörige sollten den Betroffenen ermuntern, einen Arzt aufzusuchen. Aufmunternde Worte wie „Das wird schon wieder.“ oder gar „Jetzt reiß Dich endlich mal zusammen.“ helfen wenig. Gefragt ist vielmehr einfühlsame Geduld. Allerdings sollten Angehörige auch auf sich selbst achten und hin und wieder eine Auszeit von der Betreuung nehmen. In manchen Kliniken werden auch Angehörigengruppen von depressiv erkrankten Menschen angeboten, in denen Angehörige sich austauschen und gegenseitig unterstützen können.

SenioHilfe: Besten Dank für das Interview!

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